Der Kommissar, die Kunst und die liebe Familie | Gast-Rezension "Der Tod stickt mit"

· Titel: Der Tod stickt mit
· Autorin: Tatjana Kruse
· Medium: Taschenbuch (288 Seiten)
· Verlag: Knaur TB (Mai 2015)
· ISBN: 978-3-426-51429-0
· Genre: Regionalkrimi, Humor
· Tags: Schwäbisch Hall, Kunstraub, stickende Männer
· Preis: 9,99 Euro




K U R Z B E S C H R E I B U N G

Kommissar a. D. Siggi Seifferheld beobachtet verdächtige Gestalten in der Kunsthalle Würth zu Schwäbisch Hall. Sofort wittert er Kunstraub! Der Galerist, den er im Verdacht hat, wird allerdings kurz darauf ermordet. Während alle Welt an eine Beziehungstat glaubt und die Geliebte des Galeristen ins Visier der Polizei gerät, ermittelt Seifferheld auf eigene Faust, was ihn arg in die Bredouille bringt. Und das alles, während er erneut Großonkel wird, er fleißig an seinem Aufstieg zum bekanntesten stickenden Mann Deutschlands arbeitet und zusammen mit einer rassigen Ghostwriterin seine Autobiographie schreiben soll.
Bild- und Textquelle: Droemer Knaur Verlag


H E I D I S   G E B L U B B E R

Danke an Heidi für diese ausführliche und spannende Gast-Rezension!

Der Hohenloher an sich ist ein ganz besonderer Menschenschlag! Weder Schwabe, noch Badener oder Franke – so lebt er im Nordwesten von Baden Württemberg – meist friedlich vor sich hin. Und mitten unter ihnen, im beschaulichen Städtchen Schwäbisch Hall, lebt, liebt, stickt und ermittelt Siegfried Seifferheld, Kommissar im Unruhestand. Stets an seiner Seite: Onis, sein treuer Hund, seine Schwester Irmgard und seine Freundin Marianne.

Das Cover:
Er darf auf den Buchcovern der Seifferheld-Krimis einfach nicht fehlen: Der obligatorische Gartenzwerg vor der weißen Hauswand. Diesmal malt der Zipfelmützenträger Punkte auf einen Fliegenpilz. Das Motiv mag unspektakulär wirken, besitzt aber Wiedererkennungswert – wo der Zwerg drauf ist, ist auch Siggi Seifferheld, der stickende Kommissar, drin. Das Cover ist zwar matt gehalten, jedoch wurde der Buchtitel DER TOD STICKT MIT in erhabenen Buchstaben und glänzend hervorgehoben.

Die Handlung:
Alles könnte so schön sein, im idyllischen Städtchen am Kocher. Hovawart Onis und Berner Sennenhündin Lady sind stolze Eltern einer Hundemädchenschar geworden. Aber dann, in der Kunsthalle Würth nähert sich gerade eine Ausstellung ihrem Ende, macht Siggi eine verdächtige Entdeckung: Wird hier etwa ein Kunstraub geplant?

Doch dann wird ein Bewohner Schwäbisch Halls tot aufgefunden und Seifferheld nimmt die Ermittlungen auf. Aber auch andere Ereignisse halten Seifferheld stets auf Trab: Nichte Karina und ihr Mann Fela bekommen das zweite Kind, und Tochter Susanne hat beschlossen, zu adoptieren.

Plötzlich verschwindet auf mysteriöse Art und Weise in einer Vollmondnacht die gesamte Männertrommelgruppe – und mit ihnen Seifferhelds Schwager, Pfarrer Helmerich Hölderlein. Und eine Ghostwriterin will die Autobiographie des Kommissars veröffentlichen – sehr zum Leidwesen von Siggis überaus eifersüchtigen Freundin Marianne...

Meine Meinung:
Ich liebe Regionalkrimis sehr, vor allem solche, die eine humorvolle Handlung haben. Besonders interessant ist es natürlich, wenn man die Schauplätze persönlich kennt, wie es bei mir der Fall ist. So wandelt man auf seinem Spaziergang durch das wunderschöne Schwäbisch Hall an allen Ecken und Enden auf Seifferhelds Spuren.


Siegfried „Siggi“ Seifferheld, hat die Sechzig längst überschritten, und wurde vor einiger Zeit mittels einer Kugel in den Invaliden-Vorruhestand befördert. Durch die lädierte Hüfte ist der Kommissar a.D. gehbehindert und benötigt einen Gehstock. Doch eigentlich ist es eher der Unruhestand, in dem er sich befindet, denn tatenlos in den Tag hinein zu leben, ist nicht die Welt des Ermittlers – einmal Kommissar, immer Kommissar. Doch zum Ausgleich betreibt Siggi ein weniger aufregendes Hobby: Er stickt mit Leidenschaft – ja, er moderiert sogar eine eigene Radiosendung für stickende Männer.

Leicht hat es Seifferheld nicht, denn in seinem Haus herrscht durch seine Mitbewohner stets viel Trubel, denn einig ist man sich hier beileibe nicht immer:

Da ist zum einen Irmgard, je nach Stimmung entweder Irmi oder auch „die Generalin“ genannt. Sie ist samt ihrem Mann, den evangelischen Pfarrer Helmerich Hölderlein, wieder bei ihrem Bruder eingezogen. Aber auch Nichte Karina und ihr dunkelhäutiger Mann Fela, samt gemeinsamen Sohn, ist bei Siggi gestrandet, ebenso wie Seifferheld-Tochter Susanne samt Tochter und Lebensgefährten Olaf. Da gerät man(n) schon mal schnell zwischen die Fronten. Besonders Karina (Anfang zwanzig), aktive Umweltaktivistin, und ihre Cousine Susanne (vierzig plus), eine erfolgreiche Karrierefrau, bekommen sich immer wieder, und sehr schnell, in die Haare. Aber auch die kettenrauchende, kasachische „Nicht-Putzfrau“ Olga Pfleiderer mischt gerne mit und gehört fast schon zur Familie.

Aeonis „Onis“, sein Hovawart-Rüde mit der Knickrute (damit disqualifiziert für die Zucht), bereitet ihn hingegen wenig Probleme. Obwohl – seit neuestem hat Onis diese schlechte Angewohnheit, die schon mal peinlich werden kann. Und wenn die liebe Verwandtschaft zu sehr nervt, kann man sich den Hund schnappen und das Weite suchen.

Des weiteren wirken mit:

Die Männertrommler, die VHS-Männerköche (Herausgeber eines Kochbuchs, das jedoch alles andere als ein Bestseller ist), Gesine Bauer (Polizeichefin, die Seifferheld so manch graues Haar zu verdanken hat), der Mord-zwo-Stammtisch (Seifferheld muss schließlich auf dem Laufenden bleiben),

Besonders gut gefielen mir unter anderem die Szenen, als Susanne und Olaf Besuch von einer Sozialarbeiterin des Jugendamts erhalten, die die Wohn- und Familiensituation begutachten soll. Trotz genauer Planung läuft nichts nach Plan. Und wie habe ich gelacht, als Karina und Fela im Krankenhaus auf Dr. Wong, einen alten Bekannten, treffen. Das Chaos ist vorprogrammiert.

Tatjana Kruse schätze ich sehr – ob nun als Autorin humorvoller Kurzkrimis, oder als die geistige Mutter der Seifferheld-Romane. Ich liebe ihre Wortschöpfungen, ihren Humor und die Situationskomik, die mich immer wieder zum Schmunzeln oder auch laut lachen bringen. Die Schlitzohrigkeit, die den Hohenlohern nachgesagt wird, findet man auch in diesem Buch wieder. Dass das Geschehen und die Schilderungen so lebensnah wiedergegeben wird, liegt aber letztendlich daran, dass Tatjana Kruse dort lebt, wo sich Seifferhelds Revier befindet: Im 38 000-Seelen-Städtchen Schwäbisch Hall.


Vermisst habe ich dennoch eines: Den Dialekt, der für mich eigentlich zu Regionalkrimis, und als solchen verstehe ich die Seifferheld-Bücher, dazugehört. Gereicht hätte da schon der ein oder andere Satz, eine typische Redensart – gerne auch etwas „entschärft“. Aber immerhin: Im Hause Seifferheld isst man sein Brot mit „Gsälz“ (also Marmelade, bzw. Konfitüre) und zum Frühstück trinkt Siggi zum Frühstück statt Kaffee seinen geliebten Apfelmost – soviel Lokalkolorit muss sein!

Sehr gut gefällt mir die Liste zu Beginn des Buches, in der die einzelnen Protagonisten vorgestellt werden. So finden sich selbst Leser zurecht, die zum ersten Mal einen Seifferheld-Krimi lesen. Allerdings wäre ein Ausschnitt des Stadtplans mit den Schauplätzen eine tolle Ergänzung gewesen – nicht unbedingt erforderlich, aber doch eine Bereicherung. Vermisst habe ich am Ende des Buches die Seiten, auf denen ein oder auch mehrere Seifferheld-Krimis vorgestellt werden.

Auch die Gestaltung finde ich grandios. Zwischen der Handlung findet man immer wieder, optisch durch grau unterlegte „Kästen“ hervorgehoben, Polizeiberichte. Diese haben mal mehr, mal wieder weniger mit der Handlung zu tun, passen aber hervorragend zum Buch, denn Siggi schreibt im Ruhestand Polizeiberichte für seine ehemaligen Kollegen. Ebenfalls im Buch, in die Handlung „eingestreut“ und durch Fettdruck hervorgehoben, findet man Sprichwörter und Zitate berühmter (z.B. Oscar Wilde, Barbra Streisand,...) und unbekannter Personen. Und dann sind da noch Siggi Seifferhelds Stick-Tipps (leider ohne Abbildungen)...

Lokalkolorit ist in diesem Buch reichlich vorhanden. Das fängt schon bei Seifferhelds Zuhause in der Unteren Herrngasse, nahe der Kirche Sankt Michael, an. Der tägliche Spaziergang von Seifferheld und seinen Hund Onis führt den Leser zu den Ackeranlagen und dem Anlagencafé, die sich am Ufer des Kochers befinden. Auch die idyllische Gelbinger Gasse, die zum Bummeln einlädt, findet Erwähnung, ebenfalls der Einkorn (der Hausberg der Stadt) oder die Comburg. Und natürlich findet die Geburt von Karinas zweitem Kind vor Ort, im Diakonissen-Krankenhaus, kurz Diak genannt, statt.

Ist das Kunst, oder kann das weg? Diesmal steht die Kunsthalle Würth im Mittelpunkt des Geschehens, und nebenan im Sudhaus rinnt so manches Bier durch die staubtrockene Kehle Seifferhelds und seiner Stammtisch-Genossen. Kunst ist ja immer Geschmackssache (mitunter auch Geruchssache) – und so manches Kunstwerk ist „anriechig“ - das Karnickelköttelkarnickel stinkt so manchem Besucher – kein Wunder bei den Bestandteilen des „Sch...hasen“ (hergestellt aus Mist und Stroh). Die Ausstellung mit den erwähnten Kunstwerken gab es natürlich tatsächlich vor einiger Zeit (2013 bis 2014) in besagtem Museum (MENAGERIE – Tierschau aus der Sammlung Würth).

Und (natürlich) arbeitet die Tochter des Kommissars in der bekannten Bausparkasse Schwäbisch Hall (vielleicht sogar bekannter als die kleine Stadt am Kocher selbst), während Seifferhelds Freundin Marianne beim lokalen „Haller Tagblatt“ arbeitet.

Wer das beschauliche Städtchen Schwäbisch Hall kennt, hat also zumindest den ein oder anderen Schauplatz vor dem inneren Auge. Weshalb das Buch und seine Handlung so authentisch wirkt, liegt nicht zuletzt daran, dass die jeweiligen Schauplätze der Autorin persönlich bekannt sind, sei es die Bausparkasse Schwäbisch Hall im letzten Band, oder aktuell die Kunsthalle Würth, inklusive Museumscafé, wo Tatjana Kruse gerne verweilt und die wechselnden Ausstellungen besucht.

Unterteilt ist das Buch in sechs Kapitel, dazu einen Prolog, einen Epilog, sowie ein Nachwort. Die Kapitelüberschriften bestehen aus den Namen des jeweiligen Wochentages. Die bereits erwähnten Zitate,... dienen sowohl der optischen, als auch der thematischen Unterteilung – passend jeweils zur nachfolgenden Handlung – insofern kann man daher diese Sätze auch gut als (Zwischen-)Überschriften verstehen.

Schwäbisch Hall ist eine meiner absoluten Lieblingsstädte - hier trifft Altertum auf Moderne, und es lebt ein ganz besonderer Menschenschlag, der Hohenloher, in dieser Stadt. Es geht hier eher beschaulich zu, und wer einen „blutigen“, actiongeladenen Krimi erwartet, dürfte von diesem Buch eher enttäuscht sein. Wer jedoch humorvolle Krimis mit reichlich Lokalkolorit bevorzugt, demjenigen sei dieses Buch wärmstens zu empfehlen.

Fazit:
Dem Volk auf' s Maul g'schaut, hat Tatjana Kruse auch bei Seifferhelds inzwischen schon sechstem Fall. Mit viel Humor und Lokalkolorit wurde ich von der ersten bis zur letzten Seite hervorragend unterhalten. Statt Hektik regiert in der Kleinstadt am Kocher das eher beschauliche Leben – selbst wenn es doch einmal zu einem ungeklärten Todesfall kommt. Doch was wäre Seifferheld ohne seine ganz und gar nicht gewöhnliche, meist sehr anstrengende Familie und seinen Hund Onis? Von mir erhält dieser Krimi eine Leseempfehlung für alle, die humorvolle Krimis lieben – und natürlich gibt es für diese tolle Unterhaltung 5 Sterne.


W E I T E R F Ü H R E N D E   I N F O S

HIER findet ihr mehr Infos über die Autorin

Reiheninfo zu den Seifferheld-Krimis:
(1) Kreuzstich, Bienenstich, Herzstich (Knaur, 2010)
(2) Nadel, Faden, Hackebeil (Knaur, 2011)
(3) Finger, Hut und Teufelsbrut (Knaur, 2012)
(4) Gestickt, Gestopft, Gemeuchelt (Knaur, 2013)
(5) Sticken, Stricken, Strangulieren (Knaur, 2014)
(6) Der Tod strickt mit (Knaur, 2015)


Wenn euch dieses Buch gefallen hat, schaut euch auch mal diese Titel an:
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