Pilotin für einen Tag | Mein erstes Mal Segelfliegen

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SEIL STRAFF, FERTIG!“ Nach diesem Kommando dauert es nur noch wenige Sekunden. Der Doppelsitzer wird angezogen, beginnt zu rollen, nimmt sofort an Geschwindigkeit auf und streckt nach 20 bis 30 Metern bereits die Nase in den Himmel. Wir heben ab – und das in einem Affenzahn. Die Gravitationskraft drückt mich in den Sitz, für einen kurzen Moment schließe ich die Augen, nur um sie kurz darauf wieder weit aufzureißen. Ich will keine Sekunde dieses besonderen Erlebnisses verpassen.

Die Fliegergruppe Welzheim hat am heutigen Samstag zum Schnupperfliegen eingeladen und ich bin als fliegende Reporterin dabei. Unter dem Motto „Pilot*in für einen Tag“ können mutige, neugierige und interessierte Menschen ab 14 Jahren einmal im Jahr auf dem Fluggelände Welzheim in den Segelflugsport und alles was dazu gehört hineinschnuppern. Pünktlich um 10 Uhr werden wir acht Tagespilot*innen von den Fluglehrern Markus und Harald sowie ihren Vereinskollegen in der Flugzeughalle in Empfang genommen. Spannung liegt in der Luft, nervöse Blicke werden ausgetauscht. Doch viel Platz für Aufregung lassen uns Markus und Harald nicht. Sympathisch und ganz auf Augenhöhe geben sie uns einen kleinen Ausblick auf den Tag, weisen uns auf das Thema Sonnenschutz hin, da wir den ganzen Tag auf offenem Feld verbringen werden und betonen, dass Sicherheit generell das A und O auf dem Fluggelände ist. Jede*r von uns wird zwei bis drei Windenstarts bekommen und darf in den zwei zur Verfügung stehenden Doppelsitzern jeweils auf dem vorderen Pilotensitz Platz nehmen. Von 0 auf 100 km/h geht’s dann in zwei bis drei Sekunden – das ist besser als Achterbahnfahren, erzählt Harald. Wie bitte? In diesem Moment wird mir kurz ganz anders. Segelfliegen stellt man sich doch eher ganz gemütlich vor. Sanft und in aller Ruhe gleitet man durch die Lüfte – oder etwa doch nicht? Die Startgeschwindigkeit beträgt 80 bis 100 km/h, erfahren wir weiter, und es sei gar nicht schlimm, wenn uns dabei etwas mulmig wird. Das sei normal. OK, Anka, worauf hast du dich da bloß eingelassen?

 

Zusammen machen wir uns auf den Weg zur Lande- und Startbahn mitten auf einer großen Wiese. Dabei löchern wir die ausgebildeten Piloten mit vielen Fragen – wann sonst hat man schon mal diese Möglichkeit? Dann sehen wir sie: zwei Segelflugzeuge, jeweils Doppelsitzer, warten darauf, von uns in Beschlag genommen zu werden. Los geht es mit der Einweisung. Bevor wir abheben können, werden wir mit den weißen Seglern vertraut gemacht. Ein technischer Sicherheitscheck ist unabdingbar und führt uns vom Cockpit einmal um das ganze Flugzeug herum. Der erste Start des Tages gebührt den zwei Fluglehrern, die gemeinsam fliegen, um die aktuellen Gegebenheiten zu überprüfen. Der Flug dauert nur wenige Minuten, schon setzen sie wieder ganz sachte auf der Landebahn auf.

Ehrfürchtig und mit einem Kribbeln im Bauch haben wir den Vorgang verfolgt. Jetzt sind wir an der Reihe und ich darf als Erste abheben. Markus hilft mir dabei, den Fallschirm anzulegen und richtig im Flugzeug Platz zu nehmen, während sich Harald auf dem Sitz hinter mir einrichtet. Alle nehmen sich viel Zeit, überlassen nichts dem Zufall und geben mir nochmals einen Überblick über die verschiedenen Anzeigen im Cockpit. Ich kann es gar nicht glauben, aber die Aufregung ist verschwunden. Ich bin nun nur noch gespannt und voller Vorfreude. Gleich geht’s los! Harald signalisiert mit einem „thumbs up“ unsere Startbereitschaft. Daraufhin hebt der so genannte Flügelhalter die Tragfläche an.

Mein erster Start raubt mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem. Harald hat nicht übertrieben – vergesst jede Achterbahn, das hier hat Formel 1-Niveau! Wir bohren uns steil in den Himmel, gewinnen sehr schnell an Höhe, die Welt unter uns wird kleiner und kleiner. Dann neigt sich die Nase leicht nach vorn, wir richten uns horizontal aus und mit einem Klicken wird das Seil der Winde ausgeklinkt, die uns in den Himmel befördert hat. Noch immer fehlen mir die Worte. Wir fliegen! Der Ausblick ist unglaublich, ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst gucken soll. Harald lenkt meinen Blick schließlich auf den Horizont und zwei Milane, die ein Stück entfernt von uns die Thermik nutzen. Wir nähern uns und gleiten plötzlich mit ihnen. Auf Augenhöhe. Sie kreisen innen. Wir außen. Unbeschreiblich.

 

Viel zu schnell ist dieses Erlebnis zu Ende und wir begeben uns in den Landeanflug. Überraschend sanft setzen wir auf, die Welt hat uns wieder. Dort oben verliert man wahrhaftig das Gefühl für Zeit und Geschwindigkeit. Niemals hätte ich gedacht, dass wir mit 80 bis 100 km/h unterwegs gewesen sind, und das auf etwa 400 Metern Flughöhe.

Nun wird das Flugzeug zurück zum Start gebracht, wo sich bereits die nächsten Piloten bereitmachen. Nach und nach heben alle ab und landen mit einem breiten Grinsen. Zwischendrin können wir im Schatten eines Pavillons Platz nehmen und werden mit Getränken und Brezeln versorgt. Wir lernen, dass Segelfliegen ein Teamsport ist. Mindestens fünf Personen an verschiedenen Positionen (an der Winde, als Flügelhalter, als Flugleiter) sind notwendig, damit eine von ihnen abheben kann. Die Stimmung ist fröhlich und mittlerweile auch entspannt. Fasziniert beobachte ich die festgelegten Kommandos, die den Mitwirkenden in Fleisch und Blut übergegangen zu sein scheinen. „SEIL STRAFF, FERTIG!“ ertönt es da wieder vom Flugleiter. Das Flugzeug rollt an, beschleunigt und hebt ab. „FREI!“ heißt es nun. Gewissenhaft beobachtet der Flugleiter den Verlauf. Sobald sich das Seil ausklinkt, ist die Startsituation mit dem Kommando „SEIL FÄLLT!“ abgeschlossen. Abgebremst durch einen geöffneten Seilbremsschirm segelt das Seil zurück zum Boden.

Nachdem alle mal geflogen sind, darf ich zum zweiten Mal den Fallschirm anlegen. Diesmal fliege ich zusammen mit Markus. Ich kann es gar nicht abwarten … und schon geht’s los. Auch Markus erklärt und zeigt mir viel, lässt mir aber auch ausreichend Momente, in denen ich einfach meinen Gedanken nachhängen und genießen kann. Dieser Flug dauert ewig, die Aufwinde sind auf unserer Seite. Der Fluglehrer versichert sich immer wieder, ob mein Magen mitmacht und ob wir noch höher und weiter fliegen sollen. Sofort stimme ich zu, mir geht es wunderbar. Wie mit einem Aufzug geht es plötzlich hinauf, ich schlage innerlich Purzelbäume. Was für ein Gefühl! Am Horizont erkennen wir schemenhaft die Neckartalbrücke, ich sehe bis nach Heubach und genieße jeden Moment. Da auf dem Fluggelände noch weitere angefixte Flugschüler warten, machen wir uns nach knapp 20 Minuten auf den Rückweg. Kurz vorm Landen erwischen wir noch mal eine gute Thermik, die natürlich ausgenutzt werden muss. Tatsächlich verbringen wir volle 20 Minuten in der Luft, bis uns die Erde schließlich wiederhat.


 

Wenn ich heute an diesen tollen Tag bei und mit der Fliegergruppe Welzheim zurückdenke, verfestigt sich das Grinsen in meinem Gesicht und ich bin einfach nur dankbar. Meine zwei Flüge werde ich so schnell nicht vergessen, ebenso wenig wie die tollen Piloten vor Ort, die mir dieses unglaubliche Erlebnis ermöglicht haben.

Möchtest auch du einmal in den Segelflugsport hineinschnuppern? Melde dich jederzeit bei der Fliegergruppe Welzheim. Neben dem jährlich stattfindenden Schnuppertag besteht auch die Möglichkeit, kostengünstig eine dreimonatige Schnuppermitgliedschaft abzuschließen. Wenn du beim Lesen meines Berichtes ein leichtes Bauchkribbeln verspürt hast, dann solltest du dir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Vielen Dank an die FliegergruppeWelzheim!

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Dieser Artikel erscheint zeitlich in der August-Ausgabe des Magazins WUM. In meinem Vlog habe ich euch ebenfalls mit in die Lüfte genommen und auch in diesem Reel bekommt ihr noch mehr Eindrücke.


Blubbert mit mir!
  


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