[Rezension] Die Masche Liebe - Helen Vreeswijk


· Titel: Die Masche Liebe
· Originaltitel: Loverboys
· Autorin: Helen Vreeswijk
· Medium: Klappenbroschur (336 Seiten)
· Verlag: Loewe Verlag (Januar 2010)
· ISBN: 978-3-7855-6680-0
· Genre: Jugendbuch, empfohlen ab 13 Jahren
· Preis: 6,95 Euro




K U R Z B E S C H R E I B U N G

Lisa, 15, kann ihr Glück kaum fassen, als sich der gut aussehende Mo ausgerechnet in sie verliebt. Der 22-Jährige überhäuft die Schülerin mit teuren Geschenken und hat stets ein offenes Ohr für ihre Probleme. Dass Mo mit Drogen dealt, verdrängt sie. Hauptsache, er liebt sie. Von Loverboys, bei denen Liebe nur eine Masche ist, um Mädchen zu Prostituierten zu machen, hat sie noch nie was gehört …


A N K A S   G E B L U B B E R

Je mehr Seiten ich gelesen hatte, desto aggressiver wurde ich. Ja, dieses Buch hat mich wirklich wütend gemacht und in manchen Momenten sprachlos zurück gelassen ...

Für Helen Vreeswijk ist das heikle Thema "Loverboys" nicht neu. Die niederländische Autorin blickt auf jahrelange Arbeit bei der Kriminalpolizei zurück und lässt ihre Erfahrungen und Erlebnisse in ihre aufrüttelnden Jugendbücher einfließen.

In ihrem Roman "Die Masche Liebe" macht sie zwei junge Mädchen zu ihren Protagonistinnen, die trotz charakterlicher Unterschiede, enge Freundinnen sind. Lisa und Kelly sind 15 Jahre alt, gehen beide noch zur Schule und setzen sich tagtäglich mit den altbekannten Teenager-Problemen auseinander. Stress in der Schule, Ärger mit den Eltern, das Austesten der Grenzen und die eigene Selbstfindung, dürften den meisten jungen Leserinnen bekannt sein. So wird es ihnen leicht fallen, sich in die Mädchen hineinzufühlen.

Wie weit gehe ich, um vor meinen Mitschülern und Freunden gut dazustehen? Welche Eigentschaften machen mich "cool" und verleihen mir Ansehen? Lisa stellt sich diese Fragen, als sie in Kellys neuer Bekanntschaft Fatiha eine echte Konkurrentin sieht, die um die Aufmerksamheit ihrer Freundin buhlt. Keinesfalls will sie als Loser dastehen und zieht nach, als Fatiha in einer Drogerie Kosmetik mitgehen lässt. Eben war sie noch zurückhaltend und ängstlich, jetzt steht sie mit ihrem geklauten Kleid im Mittelpunkt. Nicht nur Kelly macht Augen, auch der attraktive Mo scheint auf sie aufmerksam geworden zu sein. Obwohl er sieben Jahre älter ist, hat er nur Augen für sie. Schnell lässt sie sich von ihm einlullen, stellt sich gegen ihre Familie und sieht in ihm ihre Zukunft.

Lisa und Kelly werden von Helen Vreeswijk als sehr naiv präsentiert, die eine ein bisschen mehr als die andere. Am liebsten hätte ich die zwei geschüttelt und ihnen die rosa rote Brille von den Augen gerissen. Mich hat es nicht nur unheimlich wütend gemacht, sondern auch erschreckt, wie schnell sie sich manipulieren ließen. Mithilfe von teuren Geschenken und schmalzigem Liebesgesäusel, hat sich Mo die Mädchen hörig gemacht. Besonders schlimm zu sehen war für mich, dass er die zwei weder erpresst noch gezwungen hat, ihn in seinen kriminellen Machenschaften zu unterstützen oder auf den Strich zu gehen. Tatsächlich haben es Kelly und Lisa, unabhängig voneinander, freiwillig getan. Ich weiß, es klingt unverständlich und jedes Mädchen, jede Frau wird sich nun an den Kopf greifen und sich fragen "Wie hohl muss man sein...?", doch die Tricks, die die so genannten Loverboys anwenden, um sich die Mädchen gefügig zu machen, sind clever und widerwärtig zugleich. Sie separieren sie von ihrem Umfeld, stehen schließlich als ihr Fels in der Brandung da und es entsteht eine Art Abhängigkeit. Kelly und Lisa werden zu Marionetten und merken es noch nicht mal!

"Jetzt war ihr alles klar: Lisa war zu einer Marionette geworden und dieser Typ hatte die Fäden in der Hand. Und wenn er an den Fäden zog, bewegte sie sich so, wie er das wollte."
S. 187

Die Bewertung dieses Buches fällt mir sehr sehr schwer. Die 336 Seiten lassen sich im Großen und Ganzen fix lesen, die Geschichte wird sehr schnell vorangetrieben und die Sprache ist leicht und verständlich. Helen Vreeswijk verzichtet auf Ausschmückungen und schildert viele Situationen, von außen bertrachtet, sehr nüchtern und kühl. Weder zu Lisa noch zu Kelly konnte ich eine Bindung aufbauen. Mein Mitleid hielt sich tatsächlich in Grenzen, wobei ich nicht sagen würde, dass die Mädchen "selbst Schuld" seien. Das wäre zu einfach. Ich war die geknebelte Beobachterin, die zum Zusehen verdamt war, obwohl sie viel lieber eingegriffen und gehandelt hätte.

Diese schnelle, "nüchterne" Erzählweise, ohne großartige, tiefe Emotionen (mal abgesehen von der Wut in meinem Bauch), ist natürlich gewollt, um dem Leser klar und deutlich aufzuzeigen, was passieren kann. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, mehr mitfiebern zu können, was mir leichter gefallen wäre, wenn die Charaktere ein bisschen mehr Leben eingehaucht bekommen hätten.

Ich bin der Meinung, dass dieses Buch sehr wichtig ist. Es sollte von der anvisierten Zielgruppe (Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahren) gelesen und im Nachhinein aber auch besprochen werden. Ob dieses Buch nun die passende Schullektüre ist, weiß ich nicht - das Thema sollte aber durchaus angesprochen und behandelt werden, um die jungen Mädchen sensibler zu machen. Natürlich sind nicht alle Mädchen potenzielle "Opfer". Viele würden sich auf einen Typen wie Mo sicherlich nicht einlassen. Dass es aber Mädchen wie Lisa und Kelly gibt, und dass es sich dabei um ganz normale Mädchen handelt, zeigt dieses Buch und beweist die Realität.

Auf den letzten Seiten des Buches finden die Leser weiterführende Informationen. Wie erkennt man einen "Loverboy"? Wie reagiert man, wenn man das Gefühl hat, dass sich die beste Freundin auf einmal merkwürdig verhält und die typischen Merkmale aufweist?

Das kurze Nachwort der Autorin gewährt uns noch einmal einen Blick in die Realität. Mehrere hundert Mädchen geraten in den Niederlanden jährlich in die "Fänge" von Loverboys und prostituieren sich. Erschreckende Zahlen ... Aufklärung ist wichtig und deshalb empfehle ich dieses Buch auch weiter. Es ist kein literarisches Meisterwerk und das Lesen trägt weder zur Entspannung bei, noch ist es ein Genuss. Trotzdem ist "Die Masche Liebe" lesenswert, abschreckend und ein wichtiger Augenöffner!


W E I T E R F Ü H R E N D E   I N F O S

Von Helen Vreeswijk sind im Loewe Verlag folgende, ähnliche Titel erschienen...


Kommentare

  1. Grüß Dich, Anka.
    Über die Wichtigkeit des Themas haben wir uns ja schon kurz ausgetauscht. Für eine Schullektüre würde ich das Buch durchaus halten. Daß immer wieder Mädchen zu solchen Opfern werden, wäre allein bereits Grund genug.
    Die Nähe zum Drogenkonsum ist dabei auch nicht von der Hand weisbar. Die Mechnismen sind ähnliche.
    "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" ist da ein Klassiker. Mein Lieblingsroman zum Thema "junge Menschen auf falschen Pfaden" ist seit Jahren aber "Rolltreppe abwärts".

    bonté

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