Mutprobe bei den Wildpferden | 14.01.2017 | Namibia Diary 2017

< ---- 13.01.2017 - Teil 2 - Sprechstunde bei den Baby-Giraffen

Samstag, der 14. Januar 2017

Heute Morgen keimt in mir die leise Hoffnung auf, dass die Welt doch kein so schlechter Ort ist. Es ist 06:35 Uhr und ich sitze bereits auf dem Deck mit Blick aufs Wasserloch. Hier ist alles so friedlich, so ruhig. Terroranschläge, Trump und die ständigen Nörgeleien über alles und jeden scheinen weit entfernt. Ich beobachte die ersten durstigen Tiere, genieße die Ruhe und nehme entspannt zwei Sprachnachrichten für die Daheimgebliebenen auf. Während ich mich zu Hause in Deutschland nur schwer dazu motivieren kann, morgens mein warmes, kuscheliges Bett zu verlassen, wache ich hier noch vor dem Weckerklingeln auf und starte voller Vorfreude in den neuen Tag. Ein ganz neues Lebensgefühl!

Um 07:00 Uhr gibt es Frühstück. Heute entscheide ich mich für Müsli mit Joghurt und frischer, saftiger Melone. Zusammen mit Alana und Fiona mache ich mich anschließend auf den Weg zum Prep-Room, um unsere erste richtige Fütterungsrunde vorzubereiten. Letztes Jahr wurden wir in Fütterungsgruppen eingeteilt, heute machen wir zu dritt alle Tiere gemeinsam. Angekommen im Prep schauen wir zuerst nach der Taube, die auf uns einen sehr guten Eindruck macht. Sie scheint sich von ihrer Kollision mit der Fensterscheibe erholt zu haben. Simone ist zufrieden und entlässt den schönen Vogel aus der provisorischen Krankenstation. Unser erster „Release“ steht uns bevor. Ich habe die große Ehre, das kleine Türchen der Transportbox zu öffnen. Nach einigen Schwierigkeiten (Frau Geblubber stellt sich am frühen Morgen etwas doof an) ist die Box offen. Die Taube lässt sich nicht lang bitten und flattert gesund und munter davon. Für mich ist dies ein sehr schöner Moment, denn er spiegelt den Gedanken von Okutala sehr gut wieder. Kranke und verletzte Wildtiere bekommen hier Hilfe, mit dem Ziel, sie nach kurzer Zeit wieder freilassen zu können. 

Nun aber zurück in den Prep-Room. Unsere erste Aufgabe des Tages besteht aus dem Schneiden von Obst und Gemüse. Ein großer Eimer steht bereit. Rote Bete, Kohl, Kürbis, Orangen, Äpfel und Karotten werden von uns in Gulasch-große Stücke geschnitten, ein separater Teil für die Schildkröten wird geraspelt.

Als alles vorbereitet ist, geht es ans Verteilen. Zuerst schauen wir bei den Meerschweinchen und den Ratten vorbei, die sich sehr über das frische Obst und Gemüse freuen. Zusätzlich bekommen sie eine Portion Trockenfutter und natürlich frisches Wasser. Zurück am Prep werden wir bereits von den Zebramangusten erwartet, die sich ihr Fleisch abholen wollen. Auch Mama-Pfau ist da und hat ihre drei Küken mitgebracht. Mittlerweile ist auch Josua zu uns gestoßen, sodass wir uns nun doch in zwei Gruppen aufteilen. Alana und Fiona machen sich auf den Weg zu den Vögeln und den Füchsen, während Josua und ich die kleinen Giraffen mit Milch und Kameldornschoten füttern. Im Anschluss beladen wir den Pick-up mit dem Trockenfutter für die Nashörner sowie der Mischung für die Pferde und die Strauße. Auf diesen Moment habe ich mich schon die ganze Zeit gefreut. Auf der Ladefläche des Pick-ups stehend, lasse ich mir den Fahrtwind um die Nase wehen. Unsere erste Station ist das Wasserloch, an dem die Nashörner gefüttert werden. Hier ist Tempo angesagt. Mein Herz fängt an zu rasen, als die riesigen Tiere nur noch wenige Meter entfernt sind. Wir fahren ganz dicht ran. Von der Ladefläche aus verteile ich die Luzernballen und das Trockenfutter. Ich müsste nur die Hand ausstrecken und könnte die Tiere berühren. Wahnsinn! (Fotos der Tiere gern auf Anfrage)

Der perfekte Start in den Tag
Weiter geht es zu dem etwas weiter entfernten Pferde-Gehege. Eine siebenköpfige Herde teilt sich die sechs Hektar große Fläche. Schon von Weitem kann ich die schönen Tiere entdecken. Sie stehen am Gatter und warten auf ihr Futter. Diese Pferde sind nicht eingeritten. Sie leben quasi wild und sind nur zum eigenen Schutz hinter dem hohen Zaun, denn auf dem Gelände der 24.000 ha großen Farm Okutala tummeln sich einige wilde Raubkatzen wie Leoparde und Geparde, aber auch Hyänen wurden gesichtet. Hier steht mir meine erste große Mutprobe bevor. Ich bin kein typisches Pferdemädchen und habe mächtig Respekt vor diesen nicht gerade kleinen Tieren. Vor allem dann, wenn ich, beladen mit einem großen, schweren Futtereimer, allein das Gehege betreten muss. Erneut beginnt mein Herz zu rasen. Schnellen Schrittes bahne ich mir einen Weg zu den zwei Futterstellen, dicht gefolgt von der hungrigen Herde. Ich achte darauf, dass ich alle Tiere im Blick behalte und einen ausreichend großen Bogen um ihre Hinterteile mache. Wer weiß, ob der Hengst Zeus mich nicht für eine Hyäne hält und plötzlich ausschlägt? Nein, natürlich sind die Pferde an uns Menschen gewöhnt, trotzdem sind sie nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht, einen Platz am Futtertrog zu ergattern. Der Eimer ist leer, nun hole ich noch einen Luzernballen und drücke mich erneut mit klopfendem Herz dicht an den Pferden vorbei. Als ich schließlich das Gatter von außen schließen kann, atme ich erleichtert auf und bin mächtig stolz auf mich. Meine anfängliche Angst ist verflogen. Natürlich bleibt der Respekt, doch ich beginne den Tieren zu vertrauen und freue mich schon auf die nächste Fütterung. Bevor wir zu den drei Straußen fahren können, umrunden wir das Pferdegehege mit dem Pick-up, um den Zaun nach Löchern abzusuchen. Auf der Suche nach Wasser, buddeln sich immer wieder Stachelschweine unter dem Drahtzaun hindurch, was an und für sich nicht schlimm ist. Jedoch sind diese Löcher eine gelungene Einladung für sämtliche Raubkatzen. Erst kürzlich wurde solch ein Loch schmerzhaft ausgenutzt. Ein Leopard hat sich Zutritt verschafft und ein wenige Wochen altes Fohlen gejagt und schließlich erbeutet, erzählt mir Josua. Woher er wusste, dass es sich bei der Raubkatze um einen Leopard gehandelt hat, frage ich nach. Er schmunzelt. Als das Fohlen vermisst wurde, haben die Mitarbeiter das große Gehege abgesucht. Fündig wurden sie schließlich auf einem Baum. Nur Leoparden zerren ihre Beute auf einen Baum, um sie dort geschützt und in Ruhe fressen zu können. Das ist nun mal die Natur. Ich schwöre mir, dass ich nun ganz genau auf Löcher im Zaun achte, damit diese rechtzeitig mit schweren Steinen verbarrikadiert werden können. Die Raubkatzen dürfen gern das auf dem Farmgelände frei lebende Wild jagen, jedoch nicht unsere Pferde, die auf unseren Schutz angewiesen sind.

Okutalas Pferdeherde
Nachdem wir zwei Löcher einbruchsicher gemacht haben, fahren wir weiter zu den drei Straußen. Letztes Jahr lebten im unmittelbaren Umfeld der Lodge circa zehn junge Strauße, die mittlerweile alt genug und selbstständig auf der Farm unterwegs sind. Ab und zu sieht man sie noch in der Nähe des Farmhouses. Die drei Exemplare, die wir nun mit einem Mix aus Trockenfutter und Maiskörnern füttern, leben in einem 6 ha großen Gehege. Frank, der große, männliche Strauß, ist ein ziemlich aggressiver Bursche, vor dem man sich in Acht nehmen muss. Insbesondere in der Balz ist er besonders angriffslustig. Seine Beine leuchten feuerrot und mit seinen großen, scharfen Krallen kann er mühelos lebensgefährliche Fleischwunden zufügen. Deshalb dürfen wir dieses Gehege auch nicht betreten. Josua schüttet die Futtermischung an drei Stellen über den Zaun, sodass alle drei Tiere etwas abbekommen.

Zurück an der Lodge, treffen wir auf Fiona und Alana. Zu viert widmen wir uns den Ziegen, die morgens nicht nur gefüttert, sondern auch gemolken und anschließend in das Gehege der Strauße gebracht werden müssen. Wie diese Prozedur abläuft und ob ich innerhalb eines Jahres das Melken verlernt habe, verrate ich euch in einem der nächsten Einträge, denn jetzt müssen wir uns erstmal auf den Weg zu den Elefanten machen. Simone ist bereits vor Ort und freut sich über unsere

Unterstützung. Die Sonne steht hoch am Himmel und zeigt uns deutlich, dass wir in Afrika sind. Trotzdem greifen wir motiviert zu den Rächen und Schaufeln. Das „Elephant-Cleaning“ habe ich nur bedingt vermisst. Es gibt wahnsinnig viel zu tun. Schubkarrenweise fahren wir den Mist aus dem weitläufigen Gehege, welches täglich sauber gemacht wird. Bewohnt wird es übrigens von den Elefanten-Kids Dumbo (ca. 7 Jahre alt), Tala (ca. 6 Jahre alt), Stouter (ca. 5 Jahre alt), Loxy (ca. 4 Jahre alt) und Khoadi. Letzterer ist das Nesthäkchen und gleichzeitig Sorgenkind von Simone. Seit der Kleine vor einem halben Jahr nach Okutala gebracht wurde, da er aufgrund einer Umsiedelungsaktion den Anschluss an seine Herde verloren hat, verbringt die Tierärztin jede Nacht bei ihrem Ziehsohn. Er ist circa anderthalb Jahre alt, also wirklich noch ein Baby, und nicht nur auf die richtige Nahrung, sondern auch auf Nähe und Führsorge angewiesen. Ein Elefantenkalb kann noch so gut versorgt sein, hätte es keine Bezugsperson, keine „Ersatz-Mama“, der es vertrauen kann, würde es nicht überleben. Direkt zu den anderen Elefanten stecken kann man den kleinen Khoadi auch noch nicht, erzählt uns Simone später. Anfangs hat er noch kein großes Interesse an seinen Artgenossen gezeigt. Das hat sich zwischenzeitlich glücklicherweise geändert. Durch die Gitterstäbe nimmt er immer wieder Kontakt zu den „Großen“ auf, die ebenfalls seine Nähe suchen. Sobald Khoadi stabil ist, soll er zu den anderen dürfen, doch bis dahin wird für Simone noch die eine oder andere Nacht im Elefantenstall vergehen. 

Das Nesthäkchen und Sorgenkind Khoadi

Khoadi sucht Dumbos Nähe.
Er greift ihr mit seinem Rüssel ins Maul, um zu probieren, was sie frisst.
So lernen Elefanten-Kinder was gut ist und was nicht. 
So gern ich mich hier bei den Elefanten aufhalte, die körperliche Arbeit in der Mittagssonne ist wahnsinnig anstrengend. Wir sind Stunden beschäftigt und selbst kurz vor dem Mittagessen noch nicht ganz fertig. Am Ende unserer Kräfte schleppen wir uns schließlich zurück zum Pick-up und, so wie wir sind, zum Lunch, wo wir mit einem „Hello farm-people!“ vom grinsenden Caleb begrüßt werden. Zuerst flößen wir uns den zuckerhaltigen und stark gekühlten Eistee ein – eine Wohltat für unsere trockenen und durstigen Kehlen. Die vegetarische Lasagne schmeckt heute ganz besonders gut und schenkt uns ein bisschen verlorene Kraft zurück. Plötzlich kommt Farmmanager Bernd um die Ecke und versüßt uns das Mittagessen mit einer Portion Eis. „Weil ihr so fleißig beim Misten der Elefanten geholfen habt“, zwinkert er uns zu. Genüsslich löffeln wir das leckere Eis und verabschieden uns dann in die Mittagspause. Weit kommen wir aber nicht, unsere müden Knochen tragen uns nur noch bis zum Pool-Deck. Wir lassen uns in die Liegestühle plumpsen und gönnen uns einen ruhigen Nachmittag. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, meine Zeit auf Okutala perfekt auszunutzen und jede freie Minute mit den Tieren zu verbringen. Daheim in Deutschland ließ sich dieses Vorhaben natürlich wunderbar planen, hier in Namibia holt mich die Realität fernab von Schreibtischen und Sofas ein. Ausruhen. Augen schließen. Es ist noch heißer geworden. Als Esther kommt, bestellen wir uns einen großen „Rock Shandy“, der uns müde Mädels schnell wieder munter machen soll. 

Früher als sonst starten wir in die abendliche Fütterungsrunde, da wir vormittags die Elefanten nicht komplett geschafft haben und somit die zweite Hälfte des Geheges am späten Nachmittag ausmisten wollten. Wir beeilen uns mit den Kleintieren, verbringen nicht so viel Zeit mit Kuscheleinheiten wie sonst und sind ruck zuck bereit für die Fütterung der Raubkatzen. Auch hier geht es heute schneller. Normalerweise fahren wir mit dem Pick-up ins Gehege der Geparden, nun vertrösten wir die schnellsten Tiere der Welt mit „Fast-Food“. Jeder von uns schnappt sich ein großes Stück Fleisch. Nacheinander werfen wir es über den hohen Zaun. Ich bin erleichtert, dass mein Wurf auf der anderen Seite ankommt. Letztes Jahr bin ich kläglich am hohen Zaun gescheitert. Nach zwei Fehlversuchen habe ich mein Fleisch damals Arndt in die Hände gedrückt, da der hungrige Gepard keine Geduld mehr mit mir hatte. Diesmal klappt alles reibungslos. Als auch die Hyänen und Leoparden versorgt sind, fahren wir zu den Elefanten. Wie lang wir wohl noch für das Misten brauchen werden? Mit Sicherheit haben die „grauen Riesen“ in der Zwischenzeit noch mal nachgelegt… Doch als wir bei den Elefanten ankommen, erwartet uns eine große Überraschung! „Fertig!“ grinst Simone. Während wir nachmittags KO in unseren Liegestühlen am Pool lagen, haben Simone und Josua das Gehege bereits sauber gemacht. Die Freude und Erleichterung ist groß! Somit können wir die Fütterungsrunde bei den wunderschönen Elefanten-Kids genießen. 

Spielkind Loxy freut sich über die Luzerne
Bester Laune fahren wir zurück zur Lodge und müssen kurz vom Ziel eine Vollbremsung hinlegen. Der Nashornbulle Dan versperrt uns den Weg. Das ist Afrika! Völlig unbeeindruckt von unserem Wagen steht er dort, mitten auf dem Weg. Letztes Jahr stand der Kerl direkt vorm Ziegengehege. Eine geschlagene halbe Stunde mussten wir warten, bis er weitergezogen ist und wir endlich die Ziegen melken konnten. Heute dauert es zum Glück nicht ganz so lange. Natürlich geben wir Dan alle Zeit, die er braucht. Gemächlich macht er uns schließlich Platz und wir können die letzten 50 Meter zurücklegen.

Zum Abendessen erwarten uns heute leckere Kartoffelecken, Gemüse und Salat. Der Himmel zieht zu, weshalb wir uns recht bald auf den Weg in unseren Bungalow machen. Die heutige Dusche tut ganz besonders gut. Als ich gerade im Bad stehe, höre ich es im Schlafbereich quietschen und ahne schon krabbelig-böses. Vorsichtig spähe ich hinaus. Tatsächlich. Ein weiteres Prachtexemplar von Spinne hat sich vor dem Regen in unsere Behausung geflüchtet. Wir taufen sie Heidi. Heidi hat sich an der Wand hinter unserem Bett platziert. Trotz Moskitonetz sind wir nicht gerade erpicht auf eine gemeinsame Nacht mit ihr. Mutig greife ich zum Doom, doch die Spinnen hier scheinen echte Superkräfte zu haben. Wir geben unser bestes, doch das einzige, das wir erreichen, ist, dass Heidi schnellen Fußes aus unserem Blickfeld verschwindet. Na klasse… Schnell suchen wir die (hoffentlich) spinnenfreie Zone unter unserem Moskitonetz auf und lassen einfach das Licht brennen. Falls Heidi sich in unsere Nähe wagen sollte, sehen wir sie zumindest… oder auch nicht. Mit einem Mal ist es stockdunkel…

Fortsetzung folgt… am nächsten Freitag!
__________________________________________________________________________________________________

Mein Namibia Diary 2017:

Hier geht's zum Podcast...

... und du findest mich auch auf iTunes - such einfach nach Ankas Geblubber!


Ein Blick zurück...