Kulturschock im Himba Village | 24.01.2017 | Namibia Diary 2017


Ihr habt vielleicht bemerkt, dass der Abstand zwischen den einzelnen Diary-Einträgen immer größer wird. Tatsächlich ist dies nun schon der vorletzte Beitrag und ich zögere das Ende noch ein bisschen hinaus. Viel zu sehr genieße ich es beim Schreiben, in meinen Erinnerungen zu schwelgen und mich nach Namibia zurückzuträumen. Zum Glück sind Träume dazu da, um sie nicht nur zu träumen, sondern auch um sie zu leben. Deshalb werde ich im Januar erneut nach Namibia aufbrechen und mich in ein weiteres Abenteuer stürzen. Der Tag der Abreise rückt immer näher, so dass ich euch nun auf die letzten Meter meiner Namibia Reise 2017 mitnehmen kann.


Dienstag, 24. Januar 2017 

Wir machen einen Zeitsprung und hüpfen vom 20. auf den 24. Januar 2017. An diesem Tag sollen wir einen kleinen Einblick in die Kultur Namibias erhalten und die Himba kennenlernen. Doch zuvor wollen natürlich die Tiere versorgt werden, aber wir haben die Rechnung ohne Mathew gemacht. Der Wecker klingelt bereits um 06:00 Uhr und anstatt den Tag mit einem gemütlichen Frühstück zu beginnen, ziehen wir uns feste Schuhe und – beim Blick nach draußen – auch unsere Regenjacken an. Ein gut gelaunter Mathew erwartet uns und freut sich sichtlich auf den uns bevorstehenden Bushwalk. Eine Stunde wollen wir durch die unberührte Natur laufen und von Mathews Wissen über Flora und Fauna zehren. Welche Pflanzen wachsen auf der Farm, welcher Hufabdruck gehört zu welcher Antilope? Welche Vögel hören wir singen?

Zu gern würde Mathew uns all diese Fragen beantworten, doch wir kommen nur bis zum Parkplatz. Der zarte Regen hat plötzlich zugenommen und trotz der Regenjacken sind wir bereits nach den ersten Metern pitschnass. Grundsätzlich kein Problem, aber da wir auf unbefestigten Wegen und „querfeldein und über Stock und Stein“ unterwegs sein würden, bricht Mathew seinen geliebten Bushwalk ab, noch bevor er richtig begonnen hat. 


Nun also doch ein heißer Kaffee und ein leckeres Frühstück im Trockenen. Es tröpfelt noch immer, als wir das Obst und Gemüse aus dem Kühlraum holen, um die morgendliche Fütterungsrunde vorzubereiten. Ein bisschen wehmütig steige ich auf die Ladefläche des Pick-ups, um ein letztes Mal zu einer gemeinsamen Fütterungsrunde mit Josua aufzubrechen. Ab morgen hat er Urlaub und wird erst nach unserer Abreise nach Okutala zurückkehren. An die Verabschiedung mag ich jetzt noch gar nicht denken, lieber ziehe ich meine Kapuze etwas dichter ins Gesicht, denn noch immer regnet es leicht und der Fahrtwind tut sein Übriges, damit es auf der Ladefläche nicht ganz so angenehm wird. Je weiter wir fahren, desto mehr lässt der Regen aber nach. Kaum dass wir uns versehen, strahlt uns die Sonne entgegen. Nachdem die Pferde und die Strauße versorgt sind, holen wir Jakob und Fiona ab. Zusammen fahren wir zur "Boma", um die Erdmännchen Lucky & Byte zu füttern und anschließend zu der großen Gruppe Meerschweinchen ins Farmhouse. Mit lautem Gequieke werden wir empfangen. Eigentlich soll heute alles ganz fix gehen, damit wir pünktlich ins Himba Village aufbrechen können. Ja, eigentlich… doch plötzlich fehlt die Machete, die wir immer auf dem Pick-up dabei haben. Wir suchen die komplette Umgebung rund ums Farmhouse ab und erst, als wir entmutigt und erschöpft zurück auf die Ladefläche klettern und losfahren, sehen wir sie im Gras aufblitzen. In einem Affenzahn geht es weiter zu den Elefanten und anschließend zurück zur Lodge, damit wir uns schnell umziehen können.

Mit dem kleinen Okutala-Bus geht es nun ins ca. 45 Minuten entfernte Himba Village. Da es das erste Mal ist, dass Okutala dieses Dorf besichtigt, ist der Bus rappevoll. Die Farmbesitzer inkl. Kinder, der Manager, alle drei Guides und natürlich wir drei rollen gespannt unserem Ziel entgegen. Als wir ankommen, prallt die Sonne vom Himmel und der Regen vom Morgen ist längst vergessen. Natürlich sind wir angemeldet und werden beim Aussteigen freundlich und persönlich per Handschlag von einem Mann und einer Frau, letztere in ein wunderschönes, farbenfrohes, traditionelles Gewand gehüllt, begrüßt. Bevor wir das Village betreten erhalten wir einige Informationen. Wir dürfen jederzeit Fotos machen und Fragen stellen. Dieses Himba Dorf existiert noch nicht so lang und wird aktuell von 13 Himba bewohnt. Es ist eine Anlaufstation für Waisen und Frauen mit Kindern, die hier unterstützt werden und doch die Möglichkeit haben, nach ihren alten Traditionen zu leben. Natürlich sind wir uns bewusst, dass vieles für uns Touristen besonders veranschaulicht wird und dass die Menschen nicht mehr ganz genau so leben wie sie es für uns darstellen. Ein Teil von mir fühlt sich ein bisschen unwohl dabei, als plumper weißer Tourist die schönen Himba-Frauen zu begaffen und irgendwie in ihr Leben einzudringen, ein anderer Teil ist unheimlich interessiert und neugierig auf diese für mich doch sehr fremde Kultur. Wir erfahren viel über die Sitten und Bräuche der Himba. Das komplette Leben, alle wichtigen Zeremonien und Ereignisse finden in der Dorfmitte am Heiligen Feuer statt. Dort treffen wir auch auf den King und seine Frau. Wir bekommen demonstriert, mit welchem besonderen Handschlag man sich traditionell begrüßt. Der Reihe nach begrüßen uns die zwei und wir versuchen sowohl den Handschlag als auch die dazugehörige Begrüßungsformel ohne Knoten in Hand oder Zunge zu bewerkstelligen. Puh, geschafft! 

Nun erzählt uns der Guide, was es mit den kegelförmigen Hütten auf sich hat und wie diese aus Lehm und Tierdung gebaut werden. Schließlich lädt uns eine Frau in ihre Hütte ein, damit wir uns selbst einen Eindruck von der großartigen Isolierung machen können. Tatsächlich ist es im Inneren angenehm kühl. Im Kreis sitzend werden wir jetzt in ihre Beauty-Geheimnisse eingeweiht. Tatsächlich waschen sich die Himba nie mit Wasser. Das mag im ersten Moment sehr befremdlich und unhygienisch klingen, ist es aber gar nicht. Die Himba sind sehr reinlich und verbringen mehrere Stunden täglich mit ihrer Körperpflege. Erst wird geräuchert (jede Himba-Frau mischt sich aus selbst zusammengesammelten Kräutern, Beeren und ähnlichem ihren ganz eigenen, persönlichen Duft) und danach trägt die Himba-Frau die typisch-rote Farbe auf. Diese Cremeschicht, bestehend aus Tierfett und Ockerfarbe, hält Moskitos ab und dient zudem als Schutz vor dem heiß-trockenen Klima. Um an diese ganz spezielle rote Farbe zu gelangen, nehmen die Himba eine weite Reise auf sich. Zu Fuß marschieren sie tagelang zu ihrem Heiligen Berg.



Wieder draußen in der Mittagssonne lernen wir einige kleine Kinder der Himba kennen. Wir erfahren, dass wir an der Art des Zopfes erkennen können, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelt. Auch der Schmuck hat ganz unterschiedliche Bedeutung und zeigt beispielsweise an einer Frau, wie viele Kinder sie hat. Wusstet ihr, dass der Fußknöchel die intimste Stelle einer Himba-Frau ist? Dieser muss immer bedeckt sein, selbst bei Babys. Apropos Babys. Besonders erschreckt hat mich, dass Himba-Frauen für die Geburt ihres Kindes allein in den Busch gehen, fernab ihres Stammes. Dort gebären sie das Baby ohne Hilfe und kehren schließlich in ihr Dorf zurück, wo das Neugeborene am Heiligen Feuer rituell vom King den Geistern seiner Vorfahren vorgestellt wird. Ebenfalls sehr befremdlich ist, dass den Kindern traditionell im Alter von ca. 10 Jahren die unteren vier Schneidezähne ausgeschlagen werden.


Noch immer fühle ich mich etwas unwohl und doch bin ich sehr fasziniert von dieser alten Kultur mit all ihren erschreckenden und beeindruckenden Traditionen und Ritualen. Schließlich versammeln wir uns wieder in der Dorfmitte. Zwischenzeitlich sind weitere Frauen dazugestoßen und beginnen nun mit einem traditionellen Gesang, dem sehr außergewöhnliche Tanzeinlagen folgen. Beherzt greifen die Frauen zu und ziehen uns zu sich, damit wir in den Tanz einstimmen. Es ist ein Stampfen und Schreien, das mit keinem unserer bekannten Tanzstile Ähnlichkeiten hat. Wir stellen uns alle ziemlich dämlich an, lachen erst beschämt und dann aus vollem Hals, als alle in die ungelenken Bewegungen einstimmen. 

Ankas crazy dancing skills

Den Abschluss unseres Besuches bildet ein kleiner Markt. Die Himba-Frauen legen auf ausgebreiteten Decken ihren selbstgemachten Schmuck aus. Wir wurden vorher gefragt, ob wir Interesse an diesem Verkauf haben, so dass wir nicht das Gefühl haben, zu einem Kauf genötigt zu werden. Mit vielen neuen Eindrücken beladen steigen wir nach der Verabschiedung zurück in unseren Bus. Die Himba sind stolz auf ihre Kultur, das haben wir gemerkt. Auch wenn die ein oder andere Situation ziemlich inszeniert wirkte, haben wir doch einen nachhaltigen Eindruck vom Leben der Himba gewonnen. Zuckersüß waren natürlich die kleinen, neugierigen Kinder, die ganz wild auf unsere Wasserflaschen waren. Ein kleines Mädchen hat einen Narren an Nina, der Tochter der Farmeigentümerin gefressen. Nur unter Tränen konnte es sich aus Ninas Armen zurückziehen. Viele viele Eindrücke, die auch ihr nun erstmal verdauen dürft. 


Vom schönsten Abend unserer Reise, der hier im Anschluss folgte, werde ich euch im nächsten und gleichzeitig letzten Namibia Diary Eintrag erzählen.


Fortsetzung folgt…!
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